Statement

Die Fotografie ermöglicht es mir, die Wirklichkeit als Bild festzuhalten, doch sie ist weit mehr als ein rein dokumentarisches Medium. Mein künstlerischer Ansatz basiert darauf, die Fotografie als Prozess zu erforschen und ihre technischen sowie konzeptionellen Grenzen auszuloten.

Die Kamera, ob analog oder digital, ist geprägt von einem System, das eine „objektive“ Wiedergabe der Realität anstrebt. Doch diese Vorstellung ist trügerisch. Bereits die Bauweise der Kamera definiert, was als „gutes“ Bild gilt: Schärfeebene, optische Korrekturen und digitale Nachbearbeitung formen unsere Sehgewohnheiten. Ich hinterfrage diese technischen Vorgaben und untersuche, wie sie unser Verständnis von Realität beeinflussen.

Meine Arbeit bewegt sich entlang dreier Forschungslinien:

  1. Experimentelle digitale Fotografie
    Indem ich Kameras „falsch“ benutze und bewusst von der technischen Perfektion abweiche, erkunde ich neue bildnerische Möglichkeiten. Dabei stehen Manipulation und Motiv in einem Wechselspiel, das die Grenzen der klassischen Fotografie aufzeigt.
  2. Arbeit mit der Camera Obscura
    Die Lochkamera erlaubt mir, Fotografie auf ihr essenzielles Prinzip der Lichtaufzeichnung zu reduzieren. Ohne Glasoptik, Brennpunkt oder starre Bildebene entstehen Aufnahmen, die sich der konventionellen Realitätswiedergabe entziehen. Indem ich eigene Kameras baue, gewinne ich gestalterische Freiheit und kann mit ungewöhnlichen Bildflächen experimentieren.
  3. Digitale Bildbearbeitung als Gestaltungselement
    Hier nutze ich Bildbearbeitung nicht nur zur Optimierung, sondern als künstlerisches Werkzeug. Jeder Pixel kann verändert werden, wodurch neue Bedeutungsebenen entstehen. Die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Fotografie wird so konsequent hinterfragt.

Darüber hinaus arbeite ich mit digitaler Malerei. Mithilfe des iPads erschaffe ich Bilder, die auf den ersten Blick wie Ölgemälde wirken, aber in Wahrheit eine Illusion sind. Die digitale Simulation von Maltechniken stellt die Materialität des Bildes infrage und thematisiert den Wandel unserer Bildwahrnehmung in einer digitalen Gesellschaft. Besonders spannend ist hier die Verwendung von KI-generierten Bildern als Ausgangsmaterial. Diese Bilder, die auf gesellschaftlichen Bildmustern basieren, zeigen nicht nur stilistische Eigenheiten der KI, sondern auch die kollektiven Sehgewohnheiten unserer Zeit.

Durch meine Arbeit hinterfrage ich Sehgewohnheiten, Realitätswahrnehmung und den Einfluss neuer Technologien auf unser Bildverständnis. Indem ich fotografische und malerische Techniken kombiniere, entstehen Werke, die zwischen Dokumentation, Manipulation und künstlerischer Reflexion oszillieren. Die Brüche zwischen Bild und Realität werden neu betont – und genau in diesen Zwischenräumen entfaltet sich meine Kunst.

Fiktives Interview:

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch nehmen. Lassen Sie uns mit einem zentralen Aspekt Ihrer Arbeit beginnen: dem Rauschen. Warum ist es für Sie mehr als nur ein technischer Nebeneffekt der Fotografie?

Das Rauschen ist für mich ein wesentliches Element des fotografischen Bildes. In der analogen Fotografie ist es das Filmkorn, in der digitalen Fotografie das Sensorrauschen. Beide verweisen auf das Medium selbst, auf den physischen Träger des Bildes. Dieses Rauschen ist nicht nur eine technische Erscheinung, sondern beeinflusst auch die Atmosphäre eines Bildes. Es gibt eine Tiefe und eine Materialität, die den Betrachter auf einer anderen Ebene anspricht.

Sie arbeiten auch intensiv mit Panoramatechniken und deren spezifischen Herausforderungen, insbesondere dem Stitching. Was interessiert Sie an diesen „Fehlstellen“?

In der Panoramafotografie liegt die technische Herausforderung darin, verschiedene Bilder nahtlos zusammenzusetzen. Doch gerade die Brüche und Unstimmigkeiten interessieren mich. Sie erinnern an unseren eigenen Sehprozess: Unser Auge fokussiert immer nur auf einen Punkt, während der Rest unscharf bleibt. Unser Gehirn ergänzt die fehlenden Informationen. Die digitale Technik hingegen versucht, solche Lücken mit Algorithmen zu schließen – oft mit unerwarteten und teils absurden Ergebnissen. Diese Glitches mache ich mir zunutze, um eine neue Form von Multiperspektivität zu erschaffen.

Das bringt uns zum Thema der Brüche, das in Ihrer Arbeit eine zentrale Rolle spielt. Wie setzen Sie diese konzeptionell um?

Brüche sind für mich Ausdruck von Zerrissenheit und Unsicherheit – sei es auf persönlicher oder gesellschaftlicher Ebene. In meinen Bildern entstehen sie durch gezielte Störungen und Eingriffe: durch Verzerrungen, das Zusammensetzen unpassender Elemente oder das bewusste Spiel mit Perspektiven. Ich möchte den Betrachter dazu bringen, seinen Blick auf die Welt zu hinterfragen und nicht einfach den oberflächlichen Schein als Wahrheit zu akzeptieren.

Ihre Fotografien von Industriegebieten und Wohnhäusern scheinen diesen Ansatz weiterzuführen. Was interessiert Sie an diesen Orten?

Industriegebiete sind funktionale Orte, die für wirtschaftliche Prozesse essenziell sind, aber oft eine bedrückende Leere und Einsamkeit ausstrahlen, besonders nachts. Die Kontraste zwischen wirtschaftlicher Bedeutung und atmosphärischer Trostlosigkeit faszinieren mich.

Das Haus hingegen ist ein Symbol für Sicherheit und Privatsphäre, doch auch hier sehe ich Brüche. Unsere Wohnwelten sind nicht mehr so stabil, wie wir denken. Gesellschaftliche Umbrüche beeinflussen das private Leben direkt. Ich nutze fotografische Mittel wie Bewegungen unbewegter Objekte oder perspektivische Verzerrungen, um diesen Wandel sichtbar zu machen.

Das führt mich zur letzten Frage: Ihre Sicht auf die Fotografie als Medium. Sie arbeiten sowohl mit digitalen Kameras als auch mit Lochkameras. Was reizt Sie an dieser Technik?

Die Fotografie galt lange als objektives Medium, als Wahrheitsträger. Doch sie ist immer eine Interpretation. Kameras perfektionieren Details, doch bedeutet das, dass ein Foto nur die Summe seiner Details ist? Ich hinterfrage diese Idee und nutze Lochkameras, weil sie einen anderen Blick ermöglichen. Sie reduzieren Details, betonen das Licht und erzeugen eine gewisse Verallgemeinerung. Dadurch kann ich eine Wahrnehmung schaffen, die sich vom technischen Perfektionismus löst und die Essenz eines Moments betont.

Ein spannender Ansatz. Vielen Dank für dieses inspirierende Gespräch!